Schule - ein kontroverses Thema


„School ruined my life“ (Schule hat mein Leben ruiniert).
Das stand heute früh auf dem T-Shirt eines jungen Mannes, als wir auf dem staubigen Platz vor unserem Haus auf den anderen Freiwilligen warteten. „Also mein Leben hat sie nicht ruiniert“, meinte ich zu Anna, meiner Mitfreiwilligen. Sie fügte hinzu, er sei vielleicht nie in der Schule gewesen und hier wüssten eh die wenigsten, was die englischen Sprüche auf ihren Klamotten bedeuten.

Wie hoch die Einschulungsquote liegt und ob es in Madagaskar eine Schulpflicht gibt, darüber streiten sich Berichte. Ich habe bis jetzt jedenfalls genau eine staatliche Schule gesehen. Rund ein Drittel der Madagassischen Schüler besuchen stattdessen eine Privatschule, die entweder von reichen Investoren mit großem Herzen oder von Missionaren gegründet wurden. So auch die Schule, in der ich meinen Freiwilligendienst mache. Wie für eine Privatschule üblich müssen Schulgebühren gezahlt werden. Diese haben aber eher symbolischen Charakter und belaufen sich zwischen 10ct und 1€ im Monat. Je nach Familiensituation ist die Summe für jedes Kind anders, aber kein Kind kommt ohne Gebühr davon. Vor allem in den ländlichen Gebieten gibt es kaum Schulen. Stattdessen helfen die Kinder schon in frühem Alter beim Bestellen der Felder, die überall noch mit Pflug oder per Hand bearbeitet werden.

Meine Schule liegt in einem Dorf nicht unweit der Hauptstadt Antananarivo. Genau 151 Kinder aus diesem und den umliegenden Dörfern besuchen die Grundschule. Außerdem gibt es noch eine Vorschule. Besonders in den ersten Tagen nach Schulbeginn machte es den Eindruck, als würde die Schule wirklich das Leben der Kinder ruinieren. Auf dem Hof der Vorschule sang und schrie ein Chor dreijähriger Kinder um die Wette, ihre Mutter würde sie doch bitte wieder mitnehmen. Zwei Tage, viele Lieder und Spiele später hatte sich die Stimmung aber zum Glück gehoben.

Bei den großen Kindern der Grundschule gibt es schon lange keine Tränen mehr. Von den einheimische Lehrerinnen lernen sie nun nach dreimonatigen Sommerferien wieder alles, was sie für das Leben brauchen. Alle Kinder sprechen Madagassisch, aber Französisch als zweite Amtssprache Madagaskars wird von Anfang an unterrichtet. Allerdings kann man sich erst mit Kindern der 5. Klasse so richtig unterhalten, was es für uns Freiwillige leicht erschwert, den Kindern Spiele zu erklären oder Regeln durchzusetzen.

Rund 70% der madagassischen Kinder schließen die Grundschule ab. Ein Collège besuchen viele danach nicht mehr, da das Angebot noch geringer als das der Grundschulen ist. Da ist es gut, dass wichtige Kompetenzen wie Lesen und Schreiben schon in der Grundschule gelehrt werden, denn diese kann man auch im späteren Leben durchaus gut gebrauchen. Genauso wie die liebevolle Atmosphäre, die die Kinder durch Angebote im Schulrahmen erfahren. Wir Freiwilligen spielen Nachmittags mit den Kindern, erzählen ihnen bei Royal-Ranger-Treffs Bibelgeschichten und basteln mit ihnen. Meine Hoffnung ist, dass die Kinder, die gerade auf dem Schulhof ein paar Meter entfernt von mir spielen, irgendwann sagen werden: „School enriched my life“ (Schule hat mein Leben bereichert). Und sich dann T-Shirts damit bedrucken lassen.

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